Das Rezept bleibt geheim
Claudia Arnold ist eine der besten Käserinnen im Kanton Uri. Sie wurde bereits mehrmals für ihren Alpkäse ausgezeichnet. 2017 erhielt sie für Ihren Ziegenkäse an der Olma den ersten Preis. Damit dies gelingt braucht es vieles: Leidenschaft fürs Käsen, zuverlässige Milchlieferanten, die Mitarbeit der Familie und von vielen Helferinnen und Helfern. Und ein Milchpreis, der stimmt.
Die Oberalp im Isental ist umgeben vom Bärenstock, dem Oberalpgrat, der Bannalper Schonegg, dem Ruchstock und dem Engelberger Rotstock. Die Alp liegt auf einer Terrasse oberhalb des Grosstals auf rund 1750 bis 2100 m ü. M. Eine spektakuläre Seilbahn führt von der Gossalp entlang der Oberalper Flüe vorbei am 80 Meter hohen, stiebenden Wasserfall auf die Oberalp. Die Fahrt muss telefonisch bei einer der Älplerfamilien angemeldet werden, bei der Talstation der Oberalpbahn besteht keine Natelverbindung. Da nützt auch endloses Kurbeln am Seilbahntelefon nichts, die Bergstation ist nicht besetzt.
Tagwache um Halbvier
Von der Seilbahn führt eine der Erschliessungstrassen zu den Hütten auf die Hinteralp. Eine Astgabel mit dem Schild «Holzschuenis Alpbeizli» weist zur Hütte und Käserei von Claudia und Josef Arnold-Aregger. Um 9 Uhr ist die Milch im Kessi längst am Wärmen.
Die Arbeit macht der leidenschaftlichen Käserin viel Freude. Strahlend und lachend erzählt sie von ihrem Arbeitsalltag: «15 Kubikmeter Holz brauchen wir auf der Oberalp zum Käsen und Kochen.» Bereits um Halbvier Uhr hat sie den Heizkessel in der Küche angefeuert, rund 600 Liter Milch vom Vorabend befinden sich im Kessi. Claudia Arnold verkäst neben der eigenen Milch, die Milch von drei weiteren Alpbetrieben. Gustav Zurfluh, Ferdinand Ziegler (beide Hinteralp) und Eduard Ziegler vom Gehrenwald sind ihre Milchlieferanten. Um sechs Uhr liefert Eduard Ziegler seine Milch, um Halbsieben trifft die Milch mit der Materialseilbahn vom obersten Stafel Schöntal ein. «1200 Liter fasst unser Kessi», sagt Claudia Arnold. «Wir verarbeiten die Milch von rund 78 Kühen.»
Perfektion und Gespür beim Käsen
Claudia Arnold-Aregger kommt aus dem luzernischen Werthenstein. Aufgewachsen ist sie auf dem Bauernhof Staldigwald mit 17 Geschwistern. «Wir hatten sehr viele Freiheiten, unsere Eltern hatten neben der vielen Arbeit auf dem Bauernhof nicht immer Zeit für uns.» Mit 18 begann sie ihre Ausbildung als Pflegefachfrau, arbeitete in verschiedenen Spitälern, unter anderem auch im Kantonsspital Uri. Der Landwirtschaft blieb sie verbunden. Zwei Brüder arbeiteten als Käser. 1985 heiratete sie den Maurer und leidenschaftlichen Älpler Josef Arnold. Das Gen des Käsens brachte Claudia Arnold mit. 1987 zogen sie das erste Mal mit 16 Kühen, 8 Geissen und 12 Schweinen zusammen z Alp. Auf dem Oberstafel Gehrenwald hatte ihr Mann mit befreundeten Handwerkern eine neue Hütte gebaut. Seit 2001 alpen die beiden am heutigen Standort.
2018 ist der 32igste Alpsommer der erfahrenen und erfolgreichen Käserin. Die Grundlagen des Käsens erwarb sie am Alpsennenkurs
in Seedorf. Wichtig waren für sie die Besuche der Käsereiinspektoren Albert Häberli und Toni Bättig in ihrer Käserei. Von ihnen erhielt sie viele praxisorientierte Tipps. Die Aussage von Toni Bättig «ein schlechter Käse ist einer zu viel», hat Claudia Arnold nie vergessen.
«Ich bin ein sehr genauer Mensch», sagt die Käserin und lächelt. Sie sucht die Perfektion in den Abläufen. Vor allem brauche es Sauberkeit beim Reinigen, beim Käsen und möglichst keimfreie Milch. «Die Sirtenkultur züchten wir selber, vielleicht ist das eines meiner Geheimnisse für einen guten Käse,» lacht Claudia Arnold. «Das Rezept bleibt geheim», sagt sie und lächelt verschmitzt. Damit ist sie so verschwiegen wie die Appenzeller.
Sepp 1, Sepp 2, Sepp 3
Kurz nach 11 Uhr trifft eine Gruppe Wanderer ein, sie setzen sich an den grossen Holztisch im Freien. Claudia Arnold begrüsst sie herzlich, fragt nach ihren Wünschen. Neben dem Mittagessen kochen (Zunge mit Kartoffeln, Bohnen und Salat), bereitet Claudia sieben Portionen Käseschnitten vor: Brot in Milch getunkt, belegt mit Scheiben von Alpmutschli und Bratspeck von den eigenen Alpschweinen. Dann samt den Tellern in den Grill.
Auch das Enkelkind, Sepp 3, braucht Aufmerksamkeit. Die Schwiegertochter, eben hat sie noch den Käse gewendet, puriert gekochte Rüebli. ;Wir sagen ihm Josef, zur Unterscheidung», sagt Claudia Arnold lächelnd. «Mein Mann heisst Sepp und unser Sohn heisst Sepp.» Irgendeinmal wäre das Durcheinander perfekt. Aus der Ruhe bringen lassen sich die Arnolds nicht. Cornelia wäscht ab, Sepp setzt sich mit dem kleinen Sepp 3 an den Tisch zu den Gästen. Der Grossvater Sepp ist ganz stolz. Sepp 3 strahlt und lacht. Alle lachen und bewundern den kleinen Knopf. Sepp Arnold liebt das Gespräch mit seinen Gästen, dafür hat er immer Zeit. Das ist beste Werbung für seinen Alpkäse. Den grössten Teil verkaufen Arnolds privat, ein Teil der Produktion wird von der Genossenschaft Urner Alpkäseproduzenten vermarktet. Ende Jahr erhalten die Arnolds viele Briefe und Geschenke von begeisterten Besucherinnen und Besucher ihres Alpbeizlis. «Die Menschen fühlen sich bei uns wohl, geniessen es, wenn wir mit Ihnen reden und Zeit für sie haben»,
sagt Sepp Arnold. Viele kommen immer wieder, werden Stammkunden.
Am Erfolg sind viele beteiligt
Jeden Sommer produzieren Holzschuenis 8 bis 9 Tonnen Käse, der muss auch verkauft werden. Für die arbeitsintensiven Tage auf der Alp braucht Claudia Arnold Unterstützung von allen Seiten. Ihr Mann Sepp ist für das Melken, die Käsepflege und die Gäste im Alpbeizli zuständig. Die Kinder Heidi, Karin, Ruedi und Sepp helfen mit. Sepp und seine Frau Cornelia verbringen den ganzen Sommer auf der Alp. Es kommen aber auch Jugendliche und Kinder aus dem Dorf oder von auswärts. «Jede Hilfe beim Servieren, in der Küche oder im Stall ist willkommen», sagt Claudia Arnold. «Die Gäste freuen sich sehr, wenn ein Mädchen oder ein Bub serviert.» Zu tun gibt’s mehr als genug. Neben 36 Kühe haben die Arnolds, 8 Geissen, 17 Schweine, 9 Hühner und eine Katze z Alp.
«Wird unser Alpkäse ausgezeichnet, wird in den Medien die Leistung zu sehr auf mich fokussiert», betont Claudia Arnold. «Hinter einem guten Produkt steckt aber die Arbeit und die Leistung vieler.»
Kuhparadies Schöntal
Am 24. Juli durften die Kühe von Arnolds, Zurfluhs und Zieglers auf ihren liebsten Stafel – das Schöntal. Hier gefällt es auch Armin und Thomas Zurfluh besonders gut. Thomas arbeitet in führender Position bei der Metallbaufirma Ruch und kann hier richtig Ferien machen. Er darf mit seinem Bruder Armin 16 Kühe melken. Gelebt wird draussen. In den Überresten eines alten Stalls haben sich die beiden eingerichtet. Hier wird gekocht und gegessen. Bratpfannen, Krüge, Geschirr, Besteck sind in Mauernischen und auf Brettern verstaut. Die Melkmaschinen, der Waschtrog und die Brennten sind in Griffnähe. Eine grüne Plastikplane schützt vor Regen und Wind. «Das Schlimmste hier oben sind Schneefall, Hagel und Gewitter», erzählt Armin Zurfluh. «Die Berge sind sehr nahe, der Blitz schlägt in die Kreten oder in die Geröllhalden. Der Donner ist furchterregend. Die Tiere befinden ungeschützt auf der Weide. Da braucht es Gottvertrauen.» Gegen die Oberalp fällt das Schöntal steil ab, ist felsig und mit Geröllhalden durchsetzt. Sein Bruder Thomas betont, dass sie nicht bis ans äusserste Ende des Schöntals hagen. Flüchten die Tiere bei Hagel – sie rennen dann immer talwärts – bleibt für die Tiere immer noch genug Platz, um vor dem Hag abzudrehen und nicht von den nachfolgenden Kühen über den Abgrund gestossen zu werden.
Brennten tragen wie früher
Ferdi Ziegler und sein Neffe Sandro melken die Kühe im Stall, Zurfluhs und Arnold im offenen Melkstand. Sepp 1 und 2 steigen während 12 Tagen am Nachmittag zum Melken ins Schöntal, übernachten und kehren am nächsten Morgen auf die Oberalp zurück.
Armin und Thomas Zurfluh geniessen das Melken und arbeiten ohne viel Worte, alles ist eingespielt. Glückliche Momente. Bald sind die beiden 50-Liter-Brennten bis zum Rand gefüllt. Rund 200 Meter ist die Bergstation der Materialseilbahn entfernt, das Tragen der schweren Brennten braucht enorm viel Kraft. Ein Stock hilft beim Ausbalancieren und dient als Stütze. Heute ist die Bahn mit fünf Brennten, sechs Milchkannen, einer Melkmaschine und einem Kessel schwer beladen. Sepp 1 seilt die Bahn im Leerlauf talwärts, bis die Bremsen rauchen. Eine gelbe Markierung am Seil ist das Zeichen, dass die Bahn auf der Oberalp den Puffer erreicht hat. Sepp 1 fixiert die Bremse und lacht: «Fertig für heute.»
Geissen haben eigene Ideen
Die Kannen und Brennten werden in der Käserei gewaschen. Claudia Arnold zieht die weisse Gummischürze ab und setzt sich im Alpbeizli an den grossen Holztisch. Feierabend, einen Kaffee trinken und die Aussicht auf den Urirotstock, den Brunnistock und die Schächentaler Berge
geniessen. Sepp 2 ruft an und fragt Claudia, ob die Geissen schon im Tal seien. Sie greift zum Feldstecher. 2, 3,...7, 8 Geissen weiden unter den Felsen. Die Geissen wollen noch nicht heim zu Melken, das schmackhafte Gras ist zu verlockend. «Gizz Geisseli, gizz, gizz, gizz, gizz, gizz...», lockt Claudia Arnold. Die Geissen antworten mit Gemecker, kümmern sich nicht weiter darum und steigen ins nächste Grasband. Die Käserin bleibt gelassen und lacht: «Die Geissen sind eigenwillig, da kann man nichts machen.» Vielleicht sind ihre Gelassenheit und ihre Fröhlichkeit das Berufsgeheimnis für einen guten Käse? Wer weiss. Es brauche auch Gottvertrauen und den Betruf. Den macht sie jeden Abend.
PS: Die Geissen kamen erst spät abends zurück zur Oberalp. Sepp 2 hat sich vom Schöntal auf den Weg gemacht und sie talwärts getrieben.