Äis Gschitter, Gjool und Glärm
Fasnacht vor 45 Jahren
Im Keller seines Hauses bewahrt der pensionierte Mechaniker Remo Jäger ein grosses Bild auf. Es zeigt einen Mineur und den Teufel im Kampf um den Teufelsstein. «1974 ging ich mit einem grossen Teufelsstein an den Buffetball und machte dort den ersten Preis», sagt Remo Jäger. «Die Rettung des Teufelssteins war für mich das Ereignis von 1973. Lange war es nicht sicher, ob der Stein illegal gesprengt werden würde. Für die Verschiebung waren 300 000 Franken kalkuliert, was einen Unbekannten erzürnte. Er malte in grossen Buchstaben ‹300 000 Franken zum Teufel› auf den Stein. Darum wurde der Teufelsstein bewacht. Der Sager Sepp, der Wirt des Restaurants Säge, war als ängstlich bekannt. Als er einmal beim Teufelsstein Wache stand, schlichen sich einige nachts an und jagten ihm mit dem Zünden von Raketen einen tüchtigen Schreck ein. Das war einer von vielen Streichen, die damals im Dorf üblich waren.»
Bahnhofständchen und Buffetball
«Die offizielle Fasnachtseröffnung, das Eintrommeln, war jeweils am Mittwoch», erzählt Remo Jäger. «Man ging mit der Katzenmusik durchs Dorf und war nach halb neun auf dem Bahnhof. Wartete auf den Schnellzug Richtung Süden um 20.45 Uhr. Während der Zug mehrere Minuten im Bahnhof stand, spielten wir den Katzenmusikmarsch. Die Reisenden kurbelten die Fenster herunter und warfen Fünfliber, Münz, D-Mark und Lire in unseren ‹Klingelbeutel›. Das war ein drei Meter langer Stab, an dem vorne ein Ledersäckchen befestigt war. Wechseln konnte man am Bahnhof.
Gewöhnlich hat man durchgemacht, am Schmutzigen Donnerstag war bereits um 5 Uhr Tagwache. Am Abend waren die Bälle im ‹Rössli›, im ‹Gotthard›, in der ‹Sagi›, manchmal auch in der ‹Krone›. Es war streng, man war froh, wenn man sich am Freitag von den Strapazen erholen konnte. Am Montagabend war jeweils der grosse Buffetball. Im grossen Saal spielte das Orchester, dort wurde gegessen. Die Frauen erschienen im Abendkleid, die Männer in Anzug und Krawatte. Die Jungen waren im Zweitklassbuffet oder in der Bar. Dort waren die Tessiner und auch schöne Mädchen. Sie kamen mit dem Autozug. Wir Jungen waren in der Bar. Der Gamma Raymund, der Wirt des Bahnhofbuffets, hatte dort immer ein Fass Asti. Um drei Uhr kam er, schüttelte am Fass und sagte: ‹Um vier Uhr könnt ihr das Fass austrinken.› Gewöhnlich war darin noch viel Asti. Auf diesen Moment haben wir gewartet.»
Der Grotschi
Ein bekanntes Original war der Dorfbäcker und langjährige Präsident des Fasching-Clubs, der Kieliger Emil. «Man nannte ihn den Grotschi», sagt Remo Jäger. «Wenn er etwas organisierte war man nie sicher, ob es auch klappen würde. ‹Gaad scho, gaad scho›, hat er jeweils gesagt. 1984 für die Herstellung des Böög verantwortlich. Normalerweise wurde der Böög beim heutigen Coop, in der Breite, verbrannt. Das Holz hatte er nicht bereit, Kieliger musste improvisieren: ‹Gaad scho, gaad scho, wir werden den Böög erhängen.› An der Dorfbrücke baute er einen Galgen auf und befestigte daran den Böög. Es ging lange, bis sie den Böög anzünden konnten, mit Dachlatten. Dann fing er an zu brennen. Es war im Dorf stockdunkel, der Böög schwankte hin und her. Vor und zurück. Plötzlich brannte er lichterloh. Das ganze Dorf war beleuchtet. Auf einmal brach der Galgen, der Böög war zu schwer und stürzte in die Reuss. Man hat den Böög angezündet, erhängt und in der Reuss ertränkt.»
Laut und wild
Während heute nur noch die 'Krone' und das Bahnhofbistro im Winter offen haben, gab es früher im Dorf zahlreiche Restaurants. Bis Ende der 1970er-Jahre war die Fasnacht neben der Chilbi das wichtigste Dorffest. «Die Göschner Fasnacht war enorm lebendig», fährt Remo Jäger fort. «Im Dorf war alles auf den Beinen. In einigen Beizen spielten Ländlerkapellen. Man tanzte auf den Tischen, sang zu Schlagern aus der Musikbox, Runden wurden ausgegeben, die Luft war voller Rauch. Im ‹Löwen› flogen Stühle in hohem Bogen durchs offene Fenster in die Reuss. In der ‹Krone› sperrten sie den Polizisten in den Keller oder Übermütige rumpelten im 'Gotthard' auf dem Schlitten die Treppe hinunter. Wenn die Raketen beim Böögverbrennen nicht abgingen, wurde auch mal mit dem Karabiner in die Luft geschossen.»
Legendäre Feckertreffen
An die Feckertreffen erinnert sich Bernhard Gamma: «Alle haben mitgemacht, die Wirte, die Geschäftsleute, das ganze Dorf. Die Idee für diese 'Themenfasnacht' hatte der Drogist Toni Wiget, ein Schwyzer. Wir verkleideten uns als Zigeuner, trugen geflickte Kleider, die Frauen viel Schmuck und Kopftücher. Wir bauten Planwagen, füllten sie mit Koffern und Pfannen, behängten sie mit Petrollampen und klammerten Wäsche an Leinen zum Trocknen. Die Wagen zogen wir auf Hornschlitten oder mit Pferden durchs Dorf. Pfannen wurden geflickt und Scheren geschliffen, ‹gestohlene› Hühner gemetzget und gerupft. Mein Vater trug vier junge Hunde in seinem Rückenkorb. Nach dem Umzug installierten wir uns vor dem Restaurant Siesta. Man trieb allerlei Unfug, stahl sich Schirme und Pfannen, hat Hühner gebraten und gegessen und tüchtig Chianti gebechert. Wir fühlten uns ein bisschen wie ‹richtige Zigeuner›.»
Göschener «Fasnachtsoriginale»
Ältere Göschnerinnen und Göschner erinnern sich an einige bekannte Fasnächtler. Die 83-jährige Ruth Stadler erzählt: «Da war zum Beispiel der Regli Theodor, er arbeitete beim Zeughaus, ein kleiner Mann, der hat sich manchmal mehrmals am gleichen Tag verkleidet. Oder der ‹Miggel-Walti›, der Tresch Walti – wenn der in Stimmung kam, ging er wie ein Wiseli, tanzte ausgelassen auf den Tischen. Walti arbeitete im Eichhof-Bierdepot. Dort machten sie das Eis noch selber – auf dem Dach des Depots. Sogar im Winter hatte er die Ärmel nach hinten ‹glitzt›, lief immer ganz schnell. Der Schlurggen-Dittli, Inhaber eines Schuh- und Kleiderladens und der Kurmann Oski, Leiter eines Elektrogeschäfts, spielten unzählige Streiche. Es kam vor, dass sie mitten in der Nacht beim Schwarznä die Küchentür aus den Angeln hoben oder sämtliches Geschirr in die Waschmaschine legten. Bekannt für seine Streiche war der Bäcker und Wirt des Restaurants Siesta, der Kieliger Emil, der Grotschi. Als er einmal den Zement für eine Mauer in der Teigknetmaschine mischte, sprach das ganze Dorf darüber. Sie waren wie kleine Buben, man liess sie machen, hatte Freude an ihren Ideen.»