Die Feckertreffen in Göschenen
1952 stand die Fasnacht in Göschenen unter dem Motto «Feckertreffen». Initiant war der Drogist Toni Wiget. Er kam aus dem Kanton Schwyz, aus Ibach. Dass Wiget «Fecker» persönlich kannte, ist anzunehmen, gehörten doch umherziehende Gelegenheitsarbeiter, wie der Scheren- und Messerschleifer, Korber und Pfannen-Verzinner Baptist André Graf im Kanton Schwyz zum Dorfbild.
Der langjährige Materialwart des Faschingclubs Göschenen, Remo Jäger, erinnert sich an das zweite Feckertreffen von 1957:
«Am Schmutzigen Donnerstag wollten Fahrende aus Frankreich mit Autos und Wohnwagen durch den Gotthardtunnel Richtung Süden. Sie verkürzten sich die Zeit bis zur Abfahrt des Zuges mit einem Spaziergang durchs Dorf. Im Dorfzentrum trafen die Fahrenden auf Fasnächtler, als Zigeuner verkleidet. Bei der Metzgerei Muheim hingen Cervelats im Fenster, der Faschingsclub hatte sie bezahlt.
Es war abgemacht, dass die Fasnachts-Fecker die Würste stehlen durften. Es ging nicht lange, bis die Fahrenden dies bemerkten.
Die Cervelats waren schnell weg.»
«Ich bin 1940 geboren und auf der Göscheneralp aufgewachsen», sagt Bernhard Baumann: Nach dem Lawinenwinter von 1951 zog unsere Familie vom Fadthaus im Gwüest nach Göschenen. Mein Vater war Bauer und Bergführer. Als kleiner Bub habe ich mich an der Fasnacht ins Zimmer eingeschlossen, aus Angst vor den Maschgeraden. Einige waren unsere Nachbarbuben, sie waren über zehn Jahre älter als ich. Andere kamen auf Skis von der Hinteralp ins Gwüest. Sie trugen ihre selber geschnitzten Holzmasken, gingen von Haus zu Haus, betraten die Stube und haben herumgetobt. Katzenmusik kannte man in der Göscheneralp nicht.
Als Instrumente hatten wir Kinder zum Beispiel eine Eisenbahnschwelle, die wir auf einen Schlitten banden, Fässer, Büchsen und Pfannendeckel. Nur die «Gwachsenen» hatten «richtige» Instrumente. Die Musikgesellschaft Göschenen spielte auf ihren Blasinstrumenten die Melodie des Katzenmusikmarschs. Trommeln und Pauken konnte die Erwachsenen beim
Faschingsclub fassen. Bedingung war die Teilnahme an der Probe.
Wer jünger war, als 18 Jahre, durfte nicht an die Tagwache. Das hat die Kirche verboten. Der Morgenstreich begann um fünf Uhr. Beim Betenläuten um sechs Uhr, musste die Katzenmusik unterbrochen werden. Man machte Pause in einer Wirtschaft und ass Mehlsuppe.
Am Nachmittag nach dem Katzenmusikumzug, wurden die Kinder beschert. Paul Dittli, Inhaber eines Kleidergeschäfts und leidenschaftlicher Fasnächtler, ging nach dem Umzug in die Metzgerei Muheim und in die Bäckerei Rieser, kaufte Cervelats und Brötli und hat die Esswaren den Kindern verteilt.
Die Feckertreffen werde ich nie vergessen. Alle haben mitgemacht, die Bähnler, die Geschäftsleute. Die Idee hatte Toni Wiget, ein Schwyzer, der konnte fasnächtlen. Wir haben Pfannen und Schirme geflickt. Es wurden Hühner gemetzget und gerupft während des Umzugs. Mein Vater hatte vier junge Hunde, die hat er in einen Rückenkorb getan und nahm so am Umzug teil. Der Umzug ging durchs Dorf, danach hat man sich vor dem Restaurant Nell installiert. Dort ging es weiter, man stahl sich Schirme und Pfannen und hat die Hühner gebraten und gegessen. So ging das zu und her.
Die Pfannen- und Schirmflicker und die Hausierer kamen bis auf die Göscheneralp. Auch Matratzen wurden geflickt und defekte Federn ausgewechselt. In Göschenen kam regelmässig eine Italienerin, sie hiess Lucia. Am Rücken trug sie einen Kasten mit vielen Schubladen. Da drin waren Nähnadeln, Knöpfe, Nähfaden in allen Farben, Wolle, Stricknadeln und vieles mehr.
Während der Fasnacht hatten die Kinder Schulferien. Auch die Erwachsenen nahmen Ferien während der Fasnacht, das gehörte dazu, sonst konnte man nicht richtig mitmachen. Das galt besonders für jene, die im Vorstand waren. Die Katzenmusik zählte über
100 Mitwirkende. Viele Zuschauer säumten die Strasse oder schauten aus den Fenstern. Vom Donnerstag bis Montagabend gingen viele nicht mehr heim. Sie haben durchgemacht. Einige schliefen im Restaurant unter dem Tisch ein. Die Chilbi und die Fasnacht waren die einzigen Dorffeste. Wir Jungen hatten keine Autos, blieben im Dorf und festeten hier.
Zehn Jahre war ich Materialverwalter, das war eine leidige Arbeit. Es gab damals noch keine Kunststofffelle. Geissfelle und Kalbfelle wurden auf Pauken aufgezogen. Meistens war die Badewanne besetzt mit eingelegten Fellen. Sie wurden nass auf Pauken und Trommeln aufgespannt und so getrocknet. Bei trockenem Wetter gab es keine Probleme mit den Naturfellen. Schneite es, wurden die Felle nass und da und dort durchschlug ein Paukenschlegel das Fell. Es gab Löcher. Für die Pauken wurden die stärkeren Felle, die Kalbfelle aufgespannt. Darum war die Probe wichtig, man lernte dort, wie Pauken geschlagen müssen.