Eduard Gubler im Riedertal
Entlang des Wegs ins Riedertal führen sieben Informationstafeln zur Künstlerfamilie Gubler zum Haus „In der Weid“. Die Gubler-Stiftung zeigte dort vom Mai bis Juli eine kleine Ausstellung zum Leben und Werk der Familie Gubler. Am Sonntag, 15. Juli öffneten Irmgard Walker und ihr Onkel Alois Gisler zum letzten Mal für Besucher die Türe des Bauernhauses.
Die Künstlerfamilie Gubler
Von 1905 bis 1928 verbrachte die Familie von Berta und Eduard Gubler aus Zürich im Riedertal ihre Sommerferien und lebte wie ihre bäuerlichen Nachbarn. Sie waren fasziniert von der kargen Bergwelt und vom archaischen Leben ihrer Bewohner. Der Vater restaurierte die Riedertal-Kapelle, die Söhne Eduard, Ernst und Max erhielten im Riedertal zwischen 1917 bis 1922 entscheidende Impulse für ihr künstlerisches Schaffen. Ernst Gubler schuf im Riedertal seine ersten wichtigen Plastiken, Porträtköpfe von Talbewohnern. Max Gubler malte in der Stube des Hauses «In der Weid» grossformatige Bilder mit Motiven aus dem Tal, darunter das Schlüsselwerk «Sterbezimmer». Eduard Gublers malerisches Frühwerk ist ganz dem Riedertal gewidmet. Er gilt als einer der bedeutendsten und frühesten Vertreter des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit in der Schweiz.
Ferien im Vorderen Talberg
Um 1922/23 trennten sich die Wege der drei Brüder. Ernst studierte in München, Max reiste nach Italien und Eduard arbeitete als Zeichnungslehrer an Zürcher Sekundarschulen. «Eduard Gubler (1891–1971) aber blieb dem Tal völlig verfallen», schrieb Karl Iten 1982 im Katalog zur Gubler-Ausstellung in der Höfli-Kaserne. «158 Gemälde seiner 1190 Werke sind Riedertal-Bilder.»
Von 1905 bis 1952, 47 Jahre lang kam Eduard Gubler ins Riedertal. Als Zeichnungslehrer verbrachte er die Frühlings- und Herbstferien oft allein im Tal, im Sommer kam er mit seiner Familie. Gemalt hat er in Zürich in seinem Atelier, aus der Erinnerung. Was in seinem Frühwerk leidende Menschen im Bann eines unerbittlichen Lebensraums waren, sind im Spätwerk selige Bewohner in einer paradiesischen Landschaft. Nach einem Oberschenkelbruch und seiner vorzeitigen Pensionierung 1953, reiste er nicht mehr ins Riedertal. Als 1964 die Strasse bis zur Kapelle gebaut und das Riedertal mit Strom erschlossen wurde, weigerte sich Gubler das Tal nochmals zu besuchen. Er wollte das Riedertal, wie er es aus seiner Jugendzeit kannte, als unberührte Landschaft in Erinnerung behalten.
Hans und Alois Gisler erinnern sich
Der 88-jährige Hans Gisler lebte mit seinem Bruder Alois und weiteren vier Geschwistern im Haus «In der Weid». Gerne erinnert er sich an die Familie Gubler: «Die Gublers kamen jeden Sommer ins Riedertal. Sie hatten zwei Töchter, das Maria und das Vreneli. Der Maria sagten wir Meieli. Sie war gleich alt wie ich. Als Kinder spielten wir viel zusammen. Später gingen wir zusammen z Berg, zum Beispiel auf die Burg.» Sie hätten nie den Weg übers Wängi genommen, sondern gingen immer gerade hinauf, sie seien frech gewesen.
«Ausser den Nachbarn, sahen wir sahen monatelang keinen Menschen», berichtet Hans Gisler. «Wenn die Familie Gubler zu uns auf Besuch kam, war das für uns ein Fest. Wir sassen alle in der Stube, Eduard Gubler zündete seine Pfeife an, redete mit meinen Eltern und wir hörten gebannt zu.» Manchmal traf man die Gublers beim Posten nach der Kirche in Bürglen beim Restaurant Kinzigpass, dort war ein kleines Lädeli. Im Sommer unternahm die Familie Gisler bei schönem Wetter jeden Sonntag einen Ausflug auf die Burg. Die Kinder badeten in den beiden Bergseeli.
Alois Gisler, geboren 1943, erzählt von der Lawine von 1917: «Im April brach eine aussergewöhnlich grosse Lawine von der Burg her ins Tal. Sie riss den Stall des Nachbarn David Planzer mitsamt dem Vieh mit.» Ein Ereignis, das daheim und bei den Besuchen der Familie Gubler immer wieder besprochen wurde. Eduard Gubler, der damals aus der Zeitung vom Unglück erfuhr, reiste unverzüglich in den Kanton Uri. Er war erschüttert, was er sah. Seine Lawinenbilder gehen auf diesen Eindruck zurück.
Schokoladen-Wasser
«Die Eltern hatten nur eine Kuh und ein Rind, das sie im Herbst verkauften. Ziegen wie die Nachbarn im Mätteli, hatten wir keine», sagt Hans Gisler. «Im Winter, wenn die Kuh galt war, hatten wir während zwei Monaten keine Milch. Zum Zmorgen machte uns die Mutter Schokoladen-Wasser – heisses Wasser mit Schokoladenpulver, dazu Polenta. Danach mussten wir zur Schule», erzählt Hans Gisler. Etwas Geld verdiente sein Vater beim Holzen. Das Holz wurde im Herbst ersteigert, im Winter gefällt und durch die Gasse bis zur Säge nach Loreto gereistet.
Hans Gisler erzählt vom Kartoffelpflanzen in den Allmeinigärten, Anfang der 1940er-Jahre und vom Krieg: «Vater war im Dienst, ein ganzes Jahr. Er kam nur zwischendurch für zwei bis drei Tage heim. Meine fünf Geschwister und ich halfen der Mutter beim Heuen und im Haushalt, besorgten die Tiere. Nach dem Aktivdienst bekam Vater Arbeit im ‹Schächenwald›.» Mit Sechzehn begann Hans Gisler bei der «Gummi» und arbeitete dort bis zu seiner Pensionierung.