Glück auf in Seiffen
Die Erzgebirgische Volkskunst und die Lichterweihnacht mit Nussknacker, Räuchermännchen, Engel, Bergmann oder Weihnachtspyramiden stehen ganz im Zeichen der 500-jährigen Geschichte des Bergbaus. Eine Besonderheit ist die Herstellung von Reifentieren. Sie schmücken Schwibbögen und Weihnachtspyramiden.
Das Spielzeugdorf Seiffen
Das Dorf Seiffen liegt im Erzgebirge, an der Grenze zu Tschechien, 65 Kilometer entfernt von der sächsischen Hauptstadt Dresden. Das heut weltbekannte «Weihnachtsdorf» war von 1500 bis Mitte des 18. Jahrhunderts geprägt vom Zinnbergbau. Aufgrund des geringen Einkommens waren viele Bergleute gezwungen in Nebenberufen, wie in der Holzbearbeitung, ihren Verdienst aufzubessern. Der Niedergang des Bergbaus und die Schliessung zahlreicher Bergwerke um 1850 zwangen die Bergleute aus wirtschaftlicher Not zu einem Berufswechsel. Dabei stand die Holzverarbeitung im Mittelpunkt. Auf der Drehbank entstanden vorerst hölzerne Teller, Spindeln, Büchsen und später Holzspielzeuge. Als Exportschlager erwies sich die «Füll- und Schachtelware» – in Holzschachteln abgefüllte Sets mit Tieren, Häusern, Bäumen. Die Spielzeuge waren nach dem Auspacken sofort spielbereit und gaben den Kindern die Möglichkeit, die Welt nach eigenen Vorstellungen zu begreifen und zu gestalten.
Spielzeuge aus dem Erzgebirge kosteten wenig und das Sortiment war mit über 2000 Artikeln riesig. Durch ein ausgeklügeltes Vertriebssystem exportierten Spielzeugverlage die Produkte weltweit. Der Erfolg beruhte auf der herausragenden Qualität und Kreativität der Produzenten, der hohen Produktivität durch ausgeprägte Arbeitsteilung und Spezialisierung sowie den geringen Löhnen der Spielzeughersteller. Der Lebensstandard war niedrig, Kinderarbeit weit verbreitet. Gearbeitet wurde in der Stube, dem einzigen mit einem Ofen ausgestatteten Raum. Mit eigener Tierhaltung und Feldwirtschaft versuchten die Familien ihren Lebensunterhalt zu verbessern.
Die Kunst des Reifendrehens
Das Reifendrehen ist eine handwerkliche Fertigkeit, die Anfang des 19. Jahrhunderts im Erzgebirge entwickelt wurde. Sie ermöglichte eine schnellere und rationellere Massenproduktion von Holzfiguren, als dies mit Schnitzen möglich war. Das Ergebnis des Reifendrehens sind kleine Tiere oder Häuser, die als Spielzeug oder zum Ausschmücken von Weihnachtspyramiden oder -krippen verwendet werden. Reifendrehen verlangt ein hohes handwerkliches und gestalterisches Können sowie eine ausgeprägte Formvorstellung. In das feuchte Fichtenholz eines Holzrings dreht der Drechsler dabei mit verschiedenen Drehstählen präzise Rillen und Kerben. Der Holzring gewinnt so die Silhouette des gewünschten Tieres, jedoch kann der Reifendreher während des Drehvorgangs das Profil noch nicht sehen. Erst nach dem Aufspalten des Rings mit Hammer und Messer wird das Profil sichtbar. Diese Rohlinge werden durch Schnitzen und Bemalen zu fertigen Tieren verarbeitet.
Spielzeugproduktion in der DDR
1946 wurden im Erzgebiet die Spielzeugbetriebe verstaatlicht und in volkseigene Produktionsgenossenschaften umgewandelt.
Mit der Konkurrenz von Kunststoffspielzeugen konzentrierten sich die Betriebe auf die Herstellung von kunstgewerblichen Produkten,
die sich am Weihnachtsbrauchtum orientierten.
Das Spielzeugkombinat VERO entwickelte mit namhaften Designern neuartige Produkte, in Schneeberg bildete die Fachschule
für angewandte Kunst Holzgestalter aus. Seit den 1970er-Jahren gingen zahlreiche Design-Auszeichnungen der DDR gingen ins Spielzeuggebiet. Kaum ein Gestalter konnte sich der Faszination der gedrechselten Formen entziehen.
Mit der Wende von 1989 wurden zahlreiche Betriebe im Erzgebirge erfolgreich reprivatisiert. Sie bauten über Messen und Präsentationen einen neuen Kundenstamm auf und schützen ihre Erzeugnisse mit einem Label gegen Plagiate. Weihnachtsdekorationen Made in Germany mit dem Zertifikat «Echt Erzgebirge» sind weltweit gefragt.
Weihnachten im Erzgebirge
Mit dem Gruss «Glück auf» wünschen sich Bergleute ein gesundes Ausfahren nach der Schicht. Das ist keineswegs selbstverständlich. Die Arbeit unter Tag ist gefährlich und kräftezehrend. In den erzgebirgischen Silber- und Zinnbergwerken waren Unfälle, Krankheit und Tod allgegenwärtig. Die Bergmänner, traditionell religiös, versuchten sich zu schützen: sie bauten Kapellen für ihre Heiligen, beteten vor jeder Einfahrt und verehrten das Licht als Zeichen der «Wiedergeburt» nach getaner Arbeit.
Licht ist das zentrale Element der erzgebirgischen Lichterweihnacht. In der Advents- und Weihnachtszeit leuchten die Schwibbögen in den Fenstern, Lichter tragen die gedrechselten Bergmänner und Lichterengel, die drehbaren Weihnachtspyramiden werden von Kerzen angetrieben. Bei den Pyramiden verbinden sich Lichterbrauchtum und bergmännische Bastelei. Auf mehreren Etagen sind thematisch Figuren- und Tiergruppen angeordnet, die neben der biblischen Weihnachtsgeschichte auch die bergmännische Erlebniswelt und das dörfliche Leben einbeziehen.
Weihnachtschmuck aus dem Erzgebirge ist auch in der Schweiz erhältlich, zum Beispiel bei «HolzArt Engel &So» in Bern
(www.holz-art-bern.ch) oder beim Weihnachtsladen von Anna und Max Willisegger in Luzern.
Handwerkskunst aus der Schweiz
Hochwertige Spielzeuge und Weihnachtsartikel werden seit Jahrzehnten auch in der Schweiz hergestellt. 1941 entwickelte die Firma Stokis Stockis einen faszinierenden Metallbaukasten: Aus Lochstäben, Schrauben und Rädern können unzählige funktionstüchtige Objekte wie Baukrane, Lokomotiven etc. gebaut werden (www.stockis.ch). Bekannt sind auch die Brienzer Krippenfiguren.
Vor über 100 Jahren entwarf Hans Huggler-Wyss die Krippe «Christnacht», die ersten handgeschnitzten Krippenfiguren der Schweiz (www.huggler-holzbildhauerei.ch). Die Firma NAEF baut seit 1954 Holz- und Designspielzeuge in höchster Qualität (www.naef.ch).
Die Glasi in Hergiswil produziert hochwertigen Christbaumschmuck, wie Glaskugeln und -sterne, Engel und Tannen (www.glasi.ch).
Die abnehmbaren Schneekristalle des innovativen Langenthaler Textilunternehmens Création Baumann zaubern Weihnachtsstimmung ans Fenster (www.creationbaumann.com). In ihrer kleinen Werkstatt belebt Edith Lang in Muri AG das Handwerk der Strohsterne neu (www.strohsterne.ch).