Hochspannung
Umstellung auf Originalbraune Kühe
«Im Dezember 1999 haben wir umgestellt von Brown-Swiss Kühen auf die Original Braunvieh Kuh» sagt der Isentaler Bauer Gustav Zurfluh, vom Heimet Schluchen. «Wir machten diesen Schritt wegen der Alpung. Die Brown Swiss Kühe waren uns zu gross und zu schwer.»1999 lag die Gesamtzahl der OB-Tiere gesamtschweizerisch um 5000, der Tiefpunkt war erreicht. Die Entscheidung fiel Vreni und Gustav Zurfluh nicht leicht.
«Wir hatten das Glück, dass ich von drei Betrieben aus dem Berner Oberland Originalbraune Kühe kaufen konnten. Einer der damals besten Züchter der Schweiz, Alfred Anderegg hat für uns alles organisiert.» Mit diesen sieben Stammkühen hat Gusti Zurfluh seine Zucht aufgebaut. «Die Genetik ist stabil, inzwischen steht bereits die siebte Generation bei uns im Stall.» Wichtig sind Zurfluh eine gute Persistenz, eine ausgeglichene Milchleistung über eine längere Zeitdauer. «Mit der richtigen Wahl des KB-Stiers kannst du die ‹Fahrtrichtung› bestimmen. Es entscheidet aber auch das Bauchgefühl», betont Gustav Zurfluh. «Und es braucht Glück.»
Gut proportionierte, funktionierende Kühe
Braunvieh Schweiz formuliert das Zuchtziel wie folgt: «Das Original Braunvieh wird auf zweiseitige Nutzung, nämlich Milch und Fleisch, gezüchtet. Besonderer Wert soll dabei auf die Langlebigkeit der Tiere gelegt werden. Die langlebige Zweinutzungskuh soll nicht zu frühreif sein, aber jedes Jahr ein Kalb bringen. Neben einer guten Milchleistung ist der Bemuskelung die größte Beachtung zu schenken, damit eine wirtschaftliche Nutzung von Tieren zur Mast und Schlachtung gewährleistet ist. Die Tiere sollen Qualitätsfleisch mit einem hohen Schlachtkörperwert zeigen.»
Nach diesem Zuchtziel orientieren sich Gusti und Armin Zurfluh: «Unsere Kühe müssen harmonisch, nicht zu gross und gut proportioniert sein, mit gut aufgehängten, breiten, langen Eutern. Auch der Zellzahlgehalt der Milch muss stimmen», sagt Gusti Zurfluh. «Gesunde Euter spielen bei der Produktion von hochwertiger Milch eine entscheidende Rolle. Euterkrankheiten verursachen jährlich die grössten Verluste in der Milchproduktion.» «Wir wollen funktionales Vieh», ergänzt Armin. Zudem müssen ihnen die Kühe auch passen, schliesslich sei man das ganze Jahr um die Tiere.
Originalbraune im Aufschwung
Seit 2005 gibt es auf Initiative einiger Urner Züchter wie bei den Brown-Swiss-Rindern die Wahl des Rinder-Champion OB. Mit diesem Anreiz stieg auch die Zahl der OriginalbraunenTiere im Kanton Uri. In acht von 39 Abteilungen stehen Originalbraune Tiere. «Dieses Jahr haben die OB-Kühe erstmals eine eigene Schöneuter-Abteilung», sagt Gusti Zurfluh.
Die Renaissance der Originalbraunen entspricht einem gesamtschweizerischen Trend: In den letzten 10 Jahren stieg der Bestand von OB-Kühen um 50 Prozent auf über 10’000 Tiere. In der Milchleistung und vor allem in den Eutereigenschaften hat die Rasse enorme Fortschritte erzielt.
Zurfluhs putzen die Tiere für den grossen Tag heraus. Zwei Tage vor dem Grossereignis schert Armin bei allen Kühen Euter und Beine. Am Freitag wird jedes Tier gewaschen und schamponiert. «Das haben die Tiere gerne. Und als letztes schleife und poliere ich die Hörner, das ist der Feinschliff», sagt Armin Zurfluh.
Im Wettkampf-Fieber
Zurfluhs sind um 2.30 Uhr aufgestanden, haben die Kühe gemolken und um 6 Uhr 5 Kühe und 8 Rinder in den Transporter geladen. Um 6.45 Uhr Ankunft auf dem Ausstellungsgelände Eyschachen, Altdorf. Es ist noch Nacht. Die Familie Zurfluh, Armin mit Stirnlampe, putzt ihre Tiere ein letztes Mal mit Wasser und Bürste, bevor sie in die Abteilungen eingebunden werden. Auf einer Etikette am Kuhhalfter, der Schaunummer, ist der Name des Tieres und des Besitzers und die jeweilige Abteilungsnummer aufgedruckt. Die Spannung steigt. «Es fragt sich, wer nervöser ist, die Kühe oder die Bauern», meint Armin.
Weitere Sennten treffen ein, Grüsse fliegen hin und her, Hände werden geschüttelt. Die Viehschau ist Wettkampf, Brauchtum, Volksfest und Treffpunkt der Bauernfamilien.
Kurz vor 9 Uhr stehen sämtliche 611 aufgeführten Tiere in ihren Abteilungen, unterteilt in Kühe, abgestuft nach Alter und Anzahl Laktationen (Anzahl Abkalberungen), und Rinder. Auch hier ist das Alter massgebend: Unterschieden wird in Zeitrinder (tragende Rinder), Maisrinder (2-jährig) und Jährlinge.
Richter für die Originalbraunen ist Werner Roos aus Beromünster. Konzentriert begutachtet Roos jedes Tier. Kleinste Details entscheiden über Erfolg oder Niederlage. Ist das Becken breit genug für problemloses Kalben? Ist das Euter straff und hoch gehängt, damit die Kuh möglichst lange Milch gibt? Ist die Zitzenlage ideal für die Melkmaschine? Sind die Tiere gut proportioniert? Für jedes Tier hat Roos nur eine Minute Zeit. Pro Abteilung markiert Roos mit einem dicken grünen Stift 10 Tiere, die er im Ring erneut beurteilt, kommentiert und rangiert. Der Richter legt grossen Wert auf Objektivität und Gerechtigkeit. Um ganz vorne dabei zu sein, braucht es auch Glück.
Die Beurteilung der Tiere ist für jeden Züchter eine emotionale Sache. Bei Armin und Gusti Zurfluh erreicht die Spannung bei der Rangierung im Ring ihren Höhepunkt. Welche Tiere nimmt der Richter Werner Roos zur engeren Auswahl in die Mitte? Sind ihre Tiere dabei?
Nach zwei Stunden ist alles vorbei: Mit der Kuh Belinda gewinnen Zurfluhs einen zweiten Platz und einen Kranz. Mit einem 2., 4., 5.
und 6. Rang sind Gusti und Armin Zurfluh zufrieden.
Chränzliwyy im Hotel Urirotstock
Nach der Heimfahrt mit den festlich geschmückten Tieren, dem Melken und Umziehen fährt die Familie zum Chränzliabend
ins Dorf. Ein Dorffest – Jedes Jahr abwechselnd durchgeführt vom Viehzuchtverein Isenthal-Urirotstock und der Viehzucht-genossenschaft Seedorf. 200 Personen – Familien, Ältere und viele Junge. Jeder Platz ist besetzt: Ländlermusik, Tanz, Bar, Tombola, das zieht. Es wird viel gelacht und diskutiert. Gusti Zurfluh, Präsident des Viehzuchtvereins hält eine kurze Ansprache, dankt den Wärtern, den Plakettenspendern und den Züchtern. 10 Kränze gewannen die Isenthaler Züchterinnen und Züchter. Grund zum Feiern bis am frühen Morgen.