Regel des hl. Benedict

Auch auf dem Gebiet der Landwirtschaft leisteten die Mönche Herausragendes: Sie begründeten die Original Braunviehzucht und der Marstall beherbergt das älteste Gestüt Europas.

 

Die Regel des heiligen Benedikt ordnet den Alltag, die Arbeit und das Zusammenleben der Mönche. Und das sehr erfolgreich: Täglich müssen sich die Benediktiner in ihren vielseitigen Tätigkeiten als Seelsorger, Lehrer, Erzieher, Wissenschaftler, Verwaltungsfachmänner, Handwerker beweisen und sich mit den aktuellen Zeitfragen auseinandersetzen. Raum für Besinnung und Reflektion bietet das Gebet. Sechs Mal täglich treffen sich die Mönche zum gemeinsamen Gebet: 05.30 Uhr Vigil; 07.15 Uhr Laudes; 11.15 Konventamt (Messfeier); 12.05 Uhr Mittagsgebet; 16.30 Uhr Vesper und Salve Regina; 20.00 Uhr Komplet.

 

Teil der Gemeinschaft werden

«Zurzeit leben 47 Mönche im Kloster Einsiedeln», erzählt der 76-jährige Pater Lorenz Moser. «Aufgewachsen bin ich mit drei Geschwistern in Ruswil, einer katholischen Gegend. Es war selbstverständlich, dass in vielen Familien eine Tochter oder ein Sohn einen geistlichen Beruf ergriff.»

Wer Mönch werden will hat einen langen Weg vor sich. Ein Jahr ist er Kandidat. Das zweite Jahr, das Noviziat, ist ein strenges Einführungsjahr ins Klosterleben. «Man lernt das Chorgebet und die Psalmen, studiert die Regel des heiligen Benedikt, erhält Unterricht über die Klostergeschich­te und das geistliche Leben», erklärt Pater Lorenz. Danach bindet sich der Kandidat mit der einfachen Profess, dem Versprechen für 3 Jahre. Viele beginnen in dieser Zeit mit dem Theologiestudium, andere arbeiten in der Bibliothek oder im Kirchendienst, werden zum Beispiel Sakristan. Mit der feierlichen Profess wird der Mönch lebenslang Teil der klösterlichen Gemeinschaft. Das sei wie eine Heirat, meint Pater Lorenz.

 

Mönche als Spitzenzüchter

«Bei meinem Eintritt, 1962, zählte unsere Gemeinschaft 200 Mönche», erinnert sich Pater Lorenz. «Mit dem Vatikanischen Konzil von 1962 bis 1965 wurden die Brüder den Patres gleichgestellt. Die Brüder, die in der Landwirtschaft, im Garten, in den Werkstätten, in der Küche oder im Hausdienst arbeiteten waren bis dahin Mönche zweiter Klasse.» Zu Unrecht, denn das Kloster leistete besonders auf dem Gebiet der Landwirtschaft über Jahrhunderte Wegweisendes. Die Original-Braunviehzucht hat im Kloster Einsiedeln ihren Ursprung. Im Marstall des Klosters Einsiedeln, dem ältesten Gestüt Europas, werden seit über tausend Jahre Einsiedler-Pferde gezüchtet. Die «Cavalli della Madonna» werden wegen ihrer Eleganz, ihres guten Charakters, dem schwungvollen Gang und der robusten Gesundheit geschätzt. Die drei Mutterstutenlinien (Quarta/Klima/Sella) gehören zu einem kulturhistorischen Erbe von nationaler, ja sogar internationaler Bedeutung.

 

Grosse Leistungen in der Landwirtschaft

In den 1920er-Jahren eröffnete das Kloster in Pfäffikon SZ eine Landwirtschaftsschule und führte sie bis 1991. Sie ist damit die älteste Berufsschule im Kanton Schwyz, und wurde noch vor dem eidgenössischen Gesetz (1931) zur obligatorischen Berufsschule installiert.

«Das Kloster war zum grossen Teil Selbstversorger. Wir hatten eigene Landwirtschaftsbetriebe, grosse Gemüsegärten, Obstbäume, eine Käserei, eine Metzgerei, sogar eine Alp», erzählt Pater Lorenz. In der Landwirtschaft arbeiteten die Brüder. Man sieht auf alten Fotos, wie sie Weisskohl einkellern, Heu einbringen, Trauben ernten oder Holzen. Auch das Zubereiten der Mahlzeiten war Aufgabe der Brüder. Das Essen war einfach und kalorienreich: Typische Klostermenus waren Milchreis, Käsesuppe oder «Wüstensand», geröstete Brotkrümel mit Lauch an einer weissen Sauce mit Kümmel.

Heute sind die Landwirtschaftsbetriebe verpachtet, das Holzen obliegt der Oberallmeindkorporation Schwyz OAK.
Sie bewirtschaftet die rund 1000 ha grossen Wälder des Klosters. Nach wie vor in Betrieb sind die klostereigenen Werkstätten – eine Schmiede, eine Schreinerei, eine Steinhauerei. Sie dienen der Instandhaltung der Gebäude und der vielen Heiligenfiguren und Skulpturen aus Sandstein. Längst arbeiten hier keine Mönche mehr, sondern Angestellte.

 

Ort des Wissens und der Kultur

Vor allem im Mittelalter waren Klöster die Bewahrer der abendländischen Kultur und Zentren der Bildung. Mönche kopierten alte Bücher und fertigten Kunstwerke an. Grundlegende Kulturtechniken wie das Lesen und Schreiben waren über lange Zeit praktisch nur in den Klöstern verbreitet. Zeugnis davon ist die berühmte Stiftsbibliothek, Sie umfasst rund 230'000 gedruckte Bücher. Im Kulturgüterschutzraum sind die besonders wertvollen Bestände aus dem Mittelalter eingelagert: 1200 Handschriften und 1100 Bücher aus der Frühzeit des Buchdrucks. Im Kloster befindet sich zudem die grösste private Musikbibliothek der Schweiz. Sie besteht aus rund 50'000 Titeln.

Während das Kloster für Teile seines grossen Gebäudekomplexes neue Nutzungen sucht, leidet das Gymnasium mit
353 Schülerinnen und Schülern an Platzmangel. Die Stiftsschule ist eine private, kantonal anerkannte Mittelschule mit Maturitätsabschluss. Der Kanton Schwyz beteiligt sich kostenmässig mit einem Beitrag an jeden Lernenden mit Wohnsitz im Kanton. Im Langzeitgymnasium wird Latein unterrichtet, Sport, Musik und Theater werden gefördert.

 

Wallfahrtsort für viele Volksgruppen

Die Bedeutung Einsiedelns als Wallfahrtsort ist mit der Legende der «Engelweihe» verbunden. Gemäss dieser Legende soll Jesus Christus in Gesellschaft vieler Engel und Heiligen in der Nacht auf den 14. September 948 die neu errichtete Kirche zu Ehren seiner Mutter Maria geweiht haben. Seit dem 15. Jahrhundert pilgern die Wallfahrer zur berühmten Schwarze Madonna. Während die traditionellen Standeswallfahrten rückläufig sind, gewinnen Pilgergruppen mit portugiesischer, polnischer, afrikanischer oder sri-lankischer Herkunft an Bedeutung. Sehr viele Einzelpilger und Tagestouristen besuchen Einsiedeln. «Viele kommen zu uns zur Beichte“, sagt Pater Lorenz. „Andere suchen Rat in einer Lebenskrise, läuten an der Pforte. Wir helfen, wo wir können.»

 

Zur Geschichte des Klosters Einsiedeln

Die Anfänge Einsiedelns als Kloster und Pilgerziel liegen im 9. Jahrhundert und gehen auf den heiligen Meinrad zurück. 861 wurde er nach der Legende nach von zwei Räubern ermordet. An der Stätte seines Wirkens enstand 934 ein Benediktinerkloster. Die Abtei überstand zahlreiche Brände und dank der Ausstrahlung des Pilgerortes auch mehrere Krisen. Durch grosszügige Schenkungen deutscher Fürsten gelangt das Kloster zu Reichtum und der Klostervorsteher regiert als Fürstabt. Ab dem 13. Jahrhundert wurden nur noch Söhne des Adels ins Kloster aufgenommen, was in den folgenden Jahrhunderten zur kontinuierlichen Dezimierung des Einsiedler Konventes führt. 1314 wurde das Kloster im sogenannten Marchenstreit von Schwyzer Bauern erobert und geplündert. Der Herzog von Österreich, Leopold I., der Schirmherr des Klosters Einsiedeln war, griff danach die Innerschweizer an, unterlag ihnen aber 1315 in der Schlacht am Morgarten. Das Kloster verlor darauf einen beträchtlichen Teil seines Landbesitzes.

Nach den Wirren der Reformation verliess 1526 der letzte Mönch das Stift – das Kloster war ausgestorben. Erst unter Abt Joachim Eichhorn erlebte das Kloster mit dem Aufkommen der Wallfahrt zur «Schwarzen Madonna» einen grossen Aufschwung: die Zahl der Mönche stieg an. Schliesslich wurde das Kloster trotz Erweiterungsbauten zu klein für die Gemeinschaft und man entschloss sich für einen kompletten Neubau. Von 1704 bis 1734 entstand die heutige barocke Klosteranlage.

Die Folgen der französischen Revolution und der Helvetik führten zur grössten Zäsur in der Geschichte des Klosters: 1798 flüchteten die Mönche mit der Schwarzen Madonna vor den französischen Truppen. Es kam zu tagelangen Plünderungen – das ganze Mobiliar und alle verwertbaren Materialien wurden aus dem Kloster wegtransportiert und in alle Windrichtungen zerstreut. Nach dem Abzug der Franzosen kamen die Mönche zurück. Einmal mehr gab es mühevolle Aufbauarbeit zu leisten.

Mit dem Aufkommen der Eisenbahn Ende des 19. Jahrhunderts erlebte die Wallfahrt eine noch nie gekannte Hochblüte und Einsiedeln entwickelte sich zum religiösen Zentrum der katholischen Schweiz. Heute besuchen pro Jahr eine halbe Million Menschen Dorf und Kloster.

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