Lebendige Traditionen
Jedes Jahr, jeweils am 4. Augustsonntag, treffen sich hier die Älpler für den Ammensatz, der Wahl der Beamten für die Älplerchilbi, dem Erntedankfest der Älpler Ende Oktober.
Das Panorama von der Alp Jänzimatt, 1637 m ü. M., ist atemberaubend: Brienzer Rothorn, Mariental, Sörenberg, Entlebuch und die Schrattenflue. Strahlend blauer Himmel, Bilderbuchwetter. Neben der St.-Wendelinkapelle hat der Schwingklub Giswil ein Festzelt aufgebaut und zwei Sägemehlringe für das Bubenschwingen bereitgestellt. Die Älpler der umliegenden Alpen und viele Einheimische aus Giswil, und Gäste aus dem benachbarten Entlebuch, sind im Festzelt zum Gottesdienst versammelt. Pfarradministrator Gabriel Bulai hält die feierliche Alpmesse zu den Klängen des Jodelklubs und der Jagdhornbläsergruppe Giswil. Peter Wallimann, Fluonalp-Älpler, beschliesst die Messe mit dem Betruf.
Unter zwei mächtigen Kässekessi wird seit einer Stunde mächtig gefeuert und fleissig Holz nachgelegt. Marianne Moser-Eberli und ihr Sohn Michael kochen 27 Kilogramm Kernser-Magronen, rühren mit einer grossen Holzkelle. Nichts darf anbrennen. Sechs Kilo Zwiebeln, acht Liter Rahm und sechs Kilo geriebener Sbrinz beigefügt, nochmals kräftig umrühren, fertig sind die verführerisch duftenden Älplermagronen. Dazu gibt’s Apfelmus und Zwetschenkompott – über 300 Personen stehen Schlange. Auf den beiden Sägemehlringen wird seit Mittag geschwungen, aus dem Festzelt tönt Ländlermusik der Kapelle Edelweiss.
Ammen, Wendelvögte und Vorsteller
Die Älplerbruderschaft Giswil besteht seit 1909. Sie ist für die Organisation und Durchführung der Älplerchilbi verantwortlich. Jedes Jahr, jeweils am vierten Augustsonntag treffen sich die Älpler dazu auf Jänzimatt zum Ammensatz, der Wahl der Älplerbeamten für die Älplerchilbi in Giswil.
Louis Enz, seit 23 Jahren Teilervogt der Teilsame Kleinteil, führt mit Werner Halter, Älplervater, und Urs Müller, Aktuar der Älplerbruderschaft Giswil, die Wahlen durch. Um 14.30 Uhr versammeln sich die Älpler beim Festzelt. Gewählt wird per Handmehr, jedes Amt ist mit je einem Mitglied der Teilsamen Grossteil und Kleinteil besetzt. Zahlreiche Wahlgänge sind nötig. Gewählt werden: Hauptmänner (höchste Ämter, im Vorstand der Älplerbruderschaft), Ammen und Statthalter (laden die Gäste zur Älplerchilbi ein), Wendelvögte (zuständig für das Opfer in der Kirche) Säckelmeister (tragen die Statue des heiligen Wendelin), Weibel (Organisatoren der Älplerchilbi), Fähnriche (Fahnenträger), Fahnenvögte (Begleiter der Fahnenträger), Vorsteller (Stellvertreter der Fahnendelegationen) Senioren und Ehrensenioren (Ehrenämter für verdiente Älpler). Es wird viel gelacht, Sprüche fliegen hin und her, eine gewisse Nonchalance macht sich breit. Die Wahlen gehen zügig voran, die meisten Kandidaten stehen bereits fest, selten gibt’s einen Gegenvorschlag.
Das war früher ganz anders: Die hohen Ämter waren heiss begehrt und die Wahlen entsprechend umstritten. Die Ämter der Grossteiler wurden meist nur von Älplern der «vornehmeren» Alpen besetzt, von der Fluonalp oder vom Arni. Die Älpler der Riedalpen, der «minderwertigen» Alpen, genossen wenig Ansehen und hatten kaum Aussichten gewählt zu werden. 1947 sollen die Riedälpler aus Frust und Ärger ihre eigene Älplerchilbi durchgeführt haben.
74 Jungschwinger am Jänzimattschwingen
Während im Festzelt Bratchässchnitte um Bratchässchnitte, Cervelats und Bratwürste serviert werden, haben sich 450 Zuschauer um den Ring versammelt: Die Buben des Schwingklubs Giswil, Jahrgänge 2003 bis 2010 messen sich mit den Sarner, Lungerer, Sachslern und Entlebuchern. Der kleine Anlass ist gemütlich, aber es wird ernsthaft gekämpft, wie bei einem grossen Schwingfest. Auch Benji von Ah oder Remo Käser haben einst am Jänzimattschwingen als kleine Buben angefangen. Auf der Internetseite des Eidgenössischen Schwingerverbands ist die Schlussrangliste und die Statistik des Jänzimattschwingens abrufbar. Gewinner der Jahrgänge 2009–2010 ist ein Entlebucher: Im Schlussgang bezwingt Duss Janis aus Hasle den Burch Patrick aus Stalden.
Teilsamen Kleinteil und Grossteil
Der Begriff Teilsame wird im Kanton Obwalden uneinheitlich verwendet; er bezeichnet mitunter Korporationen (Sarnen, Lungern), mitunter nur Alpgenossenschaften (Lungern, Giswil) oder auch Alp- und Allmendgenossenschaften (Kerns, Alpnach). In Giswil, wie in allen Obwaldner Gemeinden, gehören die Alpen und Weiden den Korporationen. Die Korporation Giswil stellt ihre Alpen zeitlich unbegrenzt und unentgeltlich den Teilsamen Grossteil und Kleinteil zur Verfügung. Die beiden Teilsamen bestehen seit 1429.
Die Teilsame Kleinteil bewirtschaftet eine Alpfläche von Total 611.43 Hektaren mit 42 Alpgebäuden, Wohnhütten, Ställe und Spycher. 298 Milchkühe, 37 Mutterkühe und 307 Rinder und Kälber und 184 Schweine wurden 2018 aufgetrieben. Die Alpfläche der
Teilsame Grossteil umfasst 1147 Hektaren mit 94 Alpgebäuden. Ihre Alpen sind mit rund 220 Milchkühen und 520 bis 550 Stück Galtvieh bestossen. Die Älpler stellen die Bauern selber. Nutzungsberechtigt sind ausschliesslich Selbstbewirtschafter, die einen Landwirtschaftsbetrieb im Gebiet der beiden Teilsamen betreiben, dort Wohnsitz haben und Korporationsbürger von Giswil sind.
Die Organe der Teilsame sind: Die Teilenversammlung, der Teilenrat, die Kontrollstelle, die Kommisssion und die Einiger (Alpvögte). Der Teilenrat ist zuständig für die Teilenversammlungen, die Rechnung, die Statuten (Einig). Die Teilsame Kleintal verlost die Alpen alle 10 Jahre, die Teilsame Grossteil alle 6 Jahre.