Wenn Dinge erzählen

Das Völkerkundemuseum der Universität Zürich zeigt die Ausstellung „ZuHören im Steilhang“. Sie befasst sich mit den Werkzeugen der Wildheuer und bringt diese Gegenstände zum Sprechen: Worbmacher, Bäuerinnen, Sennen und Älpler erzählen von ihren Erfahrungen und Erlebnissen rund ums Wildheuen.

 

Wie ein paar Schuhe

Das Prunkstück der Ausstellung sind 29 Sensen aus der ganzen Schweiz. «Tour de Suisse» nennt der Berner Worbmacher Hansjörg von Känel diese Aufreihung. «Die augenfälligsten Unterschiede liegen in den Grundformen des Worbs, von gerade bis s-fömig geschweift», erklärt von Känel. «Einen schweren Worb mit langem Blatt braucht man im Mittelland für das saftige, fette Gras. Ein leichter ‹Grindelwaldneri› mit kurzem, schmalem Blatt ist ideal für die Arbeit im Wildheu.» Ebenso unterschiedlich wie die Form des Worbs, ist der obere und untere Griff in Gestalt, Position und Ausrichtung. Während beispielsweise bei einer Appenzeller Sense der vordere Griff oft aus einem Tannenast geschnitzt wird, ist er bei der Toggenburger Sense gedrechselt.

Das Werkzeug wird für den persönlichen Gebrauch nach dem Körperbau und der Arbeitsfähigkeit der Mäherin oder des Mähers bemessen. Keine Sense gleicht darum exakt einer zweiten. «Ich würde meine Sense mit verbundenen Augen erkennen», sagt von Känel. «Durch den jahrelangen Gebrauch, passt sie exakt in meine Hand. Durch den Schweiss meiner Hände, sind die Griffe abgeschliffen, haben eine glatte, angenehme Oberfläche.» In einem Tondokument der Ausstellung sagt er Worbmacher Martin Strub: «Sensen sind wie ein Paar Schuhe, das passen muss, sonst hört man auf zu mähen.»

 

Mähen wie in Trance

Der erfahrene Wildheuer mäht ausdauernd und mühelos und lässt hinter sich eine regelmässige Mahd; im Rhythmus seines Arbeitens verbindet sich sein Körper mit dem Werkzeug und der Landschaft. Erst dann – so der Worbmacher Hansjörg von Känel – führt nicht mehr der Mäher die Sense, sondern die Sense den Mäher. Er vergisst alles um sich, mäht wie in Trance.

Wenn von Känel den Berg hochsteigt und einen schönen Blätz mäht, wird ihm warm ums Herz: «Da ist nirgendwo ein Geratter einer Mähmaschine oder der Krach eines Fadenmähers. Da ist nur Ruhe. Und ich mache keinem Tierchen etwas. Wenn ich mit der Sägesse mähe, hören sie mich. Frösche, Heuschrecken und Grillen haben Zeit zu flüchten. Wenn du abhockst und ein Glas Most trinkst und du die Grillen wieder zirpen hörst, ist das herrlich. Was willst du noch mehr?»

 

Worbmacher und Wildheuer erzählen

«Was hat es mit der charakteristischen Daumenkerbe am hölzernen Griff (Worb) einer Schwyzer Sense auf sich? Steigert dieses ‹Duumechrinneli› am Sensenworb tatsächlich die technische Effizienz des Instruments? Die Sense selbst verrät es nicht; als Ding ist sie stumm», schreiben die Ausstellungsmacher Rebekka Sutter und Thomas Kaiser. Wer jedoch aus eigener Erfahrung darüber sprechen kann, sind die Worbmacher, Mäher und Sennen. So erzählen die Muotataler Heuer vom Auslosen der Wildheuflächen im Heubrig, von Unwetter und verregnetem Gras.

Auf einer Tonspur spottet der Worbmacher Hansjörg von Känel über Mähwerkzeug ab Stange: «Du gehst in den Laden, hängst einen Worb ab, vier Meter weiter das Blatt, auf dem unteren Regal ist ein Wetzstein und dort drüben noch ein Wetzsteinfässli, dann kaufst du das, gehst nach Hause. Wenn du zum Auto aussteigst, musst du die Hecktüre noch nicht aufgetan haben, da lacht dich das Gras

schon aus.»

 

Foto: Völkerkundemuseum der Universität Zürich, Sabine Weiss

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